Pflanzenschutz vs. Schädlingsbekämpfung
Pflanzenschutz vs. Schädlingsbekämpfung
Sichere Erträge ohne Biozide dank integriertem Pflanzenschutz
5 bis 20 Prozent der globalen Ernte fallen Schadinsekten zum Opfer. Steigende Temperaturen und milde Winter könnten dazu führen, dass künftig bis zu 50 Prozent der landwirtschaftlichen Erträge durch Schädlinge vernichtet werden. Wegen der ausbleibenden Kälte schlüpfen die Tiere früher, wachsen schneller und fressen mehr. Wie kann unsere Landwirtschaft dem Problem begegnen, aber gleichzeitig der Forderung nach weniger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nachkommen? Gibt es wirksame Alternativen zu Insektiziden, die unsere Ernten zu sichern vermögen?
Integrierter Pflanzenschutz – so wenig Chemie wie möglich, so viel wie nötig
Für die konventionelle Landwirtschaft bietet der integrierte Pflanzenschutz eine ganze Reihe von Methoden. Neben der bedarfsgerechten und gezielten Ausbringung von Pestiziden ist der Einbezug von schädlingsvernichtenden Nützlingen ein wichtiger Faktor. Nützlinge sind Organismen, die durch ihr Fress- und Brutverhalten zur natürlichen Regulation von Schädlingspopulationen beitragen. Um sie in den Pflanzenschutz mit einzubeziehen, müssen einige Dinge beachtet werden:
Auf den meisten Feldern gibt es bereits Nützlinge – diese gilt es zu finden und zu schützen
Bei der Feldüberwachung und Suche nach Schädlingen muss auch die Zahl der natürlich auftretenden Nützlingen ermittelt werden. Auf jedem Feld lassen sich ca. 1.000 unterschiedliche Spinnen- und Insektenarten nachweisen, die alle in Ernährungsbezug zueinander, mit dem Boden und den Pflanzen stehen. Nur rund 30 Arten davon sind tatsächlich Schädlinge. Etwa 350 Arten gehören zu den Nützlingen und die überwiegende Zahl spielt für den Pflanzenschutz keine bedeutende Rolle. Die Natur allein birgt also bereits ein großes Regulierungspotenzial.
Beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sind die Nebenwirkungen für nützliche Insekten zu bedenken. Kaum ein Insektizid tötet nur einen bestimmten Organismus. In der Regel werden auch andere Tiere in Mitleidenschaft gezogen oder getötet.
Ackerschonstreifen und Gehölzhecken – Lebensraum für Insekten und andere Nützlinge
Lebensraum muss geschützt, gefördert und gegebenenfalls geschaffen werden. Nutzinsekten brauchen Habitate und Rückzugsräume, von denen aus sie in die Felder ausschwärmen, um nach Nahrung zu suchen.
Ackerschonstreifen zum Beispiel sorgen als Lebensraum für einen verringerten Blattlausbefall bis 20 Meter ins Feld hinein. Hierbei werden drei bis acht Meter breite Feldrandstreifen zwar bewirtschaftet, aber frei von Pestiziden und Dünger gehalten. Solche Streifen weisen eine 10 bis 60 Prozent höhere Zahl räuberischer Laufkäfer und Spinnen auf. Auftretende Schädlinge auf den angrenzenden Feldfrüchten sind für sie ein gefundenes Fressen.
Die sogenannte Brandenburger Schichtholzhecke reduziert den Befall der Kulturpflanzen sogar bis zu 100 Meter tief. Die Schichtholzhecke mit einem sechs Meter breiten Blühstreifen bietet nicht nur Nutzinsekten, sondern auch weiteren Nützlingen wie Singvögeln attraktiven Lebensraum.
Um artenreiche Flora als Voraussetzung für die Ansiedlung bzw. Erhaltung von Nützlingen auf und neben Ackerflächen zu schaffen, kann es sinnvoll sein, Huminsäuren auf den Flächen auszubringen. Die Böden sind durch langjährige Monokultur oft ausgelaugt und nährstoffarm. Huminsäuren fördern das Pflanzenwachstum und die Bodenfruchtbarkeit langfristig. Auch eventuelle toxische Bodenrückstände werden dauerhaft gebunden.
Schon heute werden Nützlinge für den Einsatz im Freiland gezüchtet
Spezifisch wirksame Nützlinge können auch gezielt zugeführt werden, um den Schädlingsbefall zu bekämpfen. Besonders wirksam erweisen sich zugeführte Nützlinge im Gewächshaus. aber auch im offenen Feld und in Obstplantagen verzeichnen Landwirte hier immer wieder Erfolge.
In Obstbaumplantagen zählen Raubmilben zu den wichtigsten Nützlingen. Sie besiedeln die Bäume und machen Spritzungen mit Milbenvernichtungsmitteln überflüssig. Die Schlupfwespe wird seit den 1970er Jahren erfolgreich gegen die Weiße Fliege z.B. auf Tomaten ins Feld geführt. Auch der Maiszünsler und der Apfelwickler kann mithilfe der Schlupfwespe in seine Schranken gewiesen werden. Parasitäre Nematoden (Fadenwürmer) haben sich im Freiland gegen Käferlarven bewährt.
Biologische Schädlingsbekämpfung – ein Modell mit Zukunft?
Die Methode der Schädlingsbekämpfung durch Nützlinge hat sich weltweit durchgesetzt. In der spanischen Region Almeria ist die Fläche für biologischer Schädlingsbekämpfung zwischen 2004 und 2008 von 500 auf 15.000 Hektar gewachsen.
Auch Syrien hat seinen Insektizid-Einsatz seit 1970 konsequent zurückgefahren. Heute werden nur noch auf rund einem Prozent der Baumwollfelder Gifte gespritzt. Frankreich reduzierte durch den integrierten Pflanzenschutz circa 60 Prozent seiner Insektizide ohne nennenswerte Ernteeinbußen.
Nachhaltiger Pflanzenschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Klar ist, dass Anbaustrategien und -methoden bei einer drastischen Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln komplett überdacht werden müssen. Die Herausforderung ist enorm, aber es gibt vielversprechende Möglichkeiten – vom integrierten Pflanzenschutz über den Einsatz von huminsäurenbasierten Bodenverbesserern bis hin zum Düngemanagement. Dennoch können diese Veränderungen nicht von landwirtschaftlichen Betrieben allein gestemmt werden. Neue Gesetze sollten auch finanzielle Unterstützung und umfangreiche Schulungen mit sich bringen; und auch die VerbraucherInnen sind dazu aufgerufen, ihre Markmacht bewusst und sinnvoll einzusetzen – das Überleben unserer Höfe zu sichern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Erfahren Sie in diesem Artikel, warum gesunde Pflanzen seltener von Schädlingen befallen werden.
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