Partizipative Landwirtschaft
Solidarische Landwirtschaft statt Höfesterben
Milchkrieg, Freihandel und eine Fülle von immer neuen Auflagen, Bevormundung und sinkende Einnahmen bei steigenden Kosten – die Liste der Anlässe für grüne Kreuze auf deutschen Feldern ist lang und frustrierend. Wer heute nicht auf Masse produzieren kann, verliert den Preiskampf, schüttet die Milch weg und gräbt das Gemüse unter. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach regional produzierten Lebensmitteln Jahr für Jahr. Community-Supported Agriculture (CSA), oder Solidarische Landwirtschaft (Solawi), wie es in Deutschland heißt, bietet einen Ausweg aus dieser Abwärtsspirale und rettet Landwirt:innen weltweit seit Jahrzehnten den Hof.
Solidarische Landwirtschaft – Was ist das genau?
Kollektiv entscheiden, das Risiko sowie die Lebensmittel teilen und mitarbeiten – das sind die tragenden Säulen der Solidarischen Landwirtschaft, die sich seit den 1960er Jahren von Japan aus in die Welt verbreitet hat. Konkret bedeutet das: Agrarbetriebe bilden mit privaten Haushalten ein Netzwerk und finanzieren über die Beiträge der Mitglieder nicht nur die Produkte, sondern die gesamte regionale Landwirtschaft. Verantwortung, Risiko, Kosten und Ernte werden im Netzwerk geteilt.
In den USA und Kanada gibt es circa 1400 solidarische Betriebe mit rund 100.000 beteiligten Familien. In Deutschland existieren in 2020 rund 300 Solawis, Tendenz steigend.
Für wen eignet sich die Solidarische Landwirtschaft?
Die Solidarische Landwirtschaft eignet sich beispielsweise für Landwirte, die vor der Frage stehen, ob sie noch ein weiteres Jahr Lebensmittel-Preiskampf durchhalten oder ihren landwirtschaftlichen Betrieb lieber gleich verkaufen.
Mit der Gründung einer Solawi tauschen sie Dumpingpreise und Abnahmerisiko gegen Planungssicherheit und Unterstützung durch die Gemeinschaft. Jenseits von marktwirtschaftlichen Zwängen und Vermarktungsaufwand finden sie Gestaltungsspielraum für eigene Ideen. Der persönliche Kontakt zwischen Erzeugenden und konsumierenden Menschen erhöht die Motivation und die Wertschätzung der eigenen Arbeit.
Natürlich ist die Solawi nicht für jeden die passende Alternative. Hoher Abstimmungsbedarf kann Prozesse verlangsamen und birgt Konfliktpotential. Das Treffen gemeinschaftlicher Entscheidungen und Austausch kann mühsam sein und ist für viele Menschen neu. Sinnvoll ist es, sich an der Stelle Beratung zu holen und verschiedene kollektive Organisationsformen zu durchdenken. Sonst mündet der anfängliche Enthusiasmus schnell in Ernüchterung, Streit und Auflösung der Gruppe.
Klingt gut. Und wie geht das?
Wer seinen Hof auf Solawi umstellen möchte, kann entweder Kontakt zu einer der vielen bestehenden Gemeinschaften aufnehmen oder selbst eine Solawi gründen. Im zweiten Fall bietet das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft umfangreiche Beratung und Unterstützung. Für fünf Euro im Monat profitieren Mitglieder von gut aufgebauten Kommunikationsstrukturen, Beratung durch Landwirt*innen und Verbraucher*innen und Unterstützung bei allen Schritten der Gründung.
Und so funktioniert’s:
- Bedarfsermittlung: Gibt es überhaupt Interessierte in der näheren Umgebung?
- Mitgliederwerbung: Das funktioniert am besten über Mundpropaganda.
- Infoveranstaltungen: Interessierte erfahren konkrete Details über den Betrieb und die Organisation einer Solawi
- Konzepterstellung: Das Konzept wird im kollektiven Prozess erarbeitet. Es muss entschieden werden, welche Lebensmittel produziert werden sollen, wie die Solidarische Landwirtschaft finanziert wird und welche Rechtsform für die Gruppe die beste ist.
Auch Fragen nach der Verteilung der Ernte, der Kommunikation in der Gruppe und den Beteiligungsmöglichkeiten für die Verbraucher müssen geklärt werden. Es bietet sich an, die Detailfragen in Kleingruppen zu bearbeiten und die Ergebnisse anschließend in der Gruppe zu diskutieren.
Gemeinsam getragenes Risiko und solidarisches Miteinander statt unendlichen Wachstums und Ausbeutung von Umwelt, Tier und Mensch machen das Arbeiten innerhalb einer Solidarischen Landwirtschaft aus. Die enge Beziehung zwischen Erzeugenden und Verbrauchenden schützt die Betriebe und fördert Vielfalt. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist so in Krisenzeiten resilienter und weniger von Verschwendung geprägt.
Die Solidarische Landwirtschaft ist insofern ein 60 Jahre altes Modell mit großem Potential für die Landwirtschaft der Zukunft.
Wie sehen Sie das? Ist die Solidarische Landwirtschaft auch für Sie eine Idee mit Zukunft oder lassen Sie sich lieber nicht von Endkunden ins Geschäft reinreden?
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