Partizipative Landwirtschaft
Wie Regionalwert AGs mit Bürger-Aktien die außerfamiliäre Hofnachfolge sichern
EU-weit gehen in den kommenden Jahren schätzungsweise 3,5 Millionen Landwirt:innen in den Ruhestand. Allein in Deutschland ist die Nachfolge auf dem Hof in 70 Prozent der Fälle ungeklärt. Damit die Betriebe für die regionale Lebensmittel-Versorgung erhalten bleiben, bieten in Deutschland Regionalwert AGs Hilfe bei der außerfamiliären Regelung der Nachfolge.
Regionalwert AG – Was steckt hinter der Idee?
Faire Preise jenseits des anonymen Wettbewerbs. Garantierte Abnahme der Erzeugnisse durch die regionalen Betriebe. Hilfe beim Umsetzen von Bio-Standards, um landwirtschaftliche Fläche nachhaltig zu bearbeiten. Alles vom Bürger getragen.
Unrealistisch? Märchenhaft? Utopisch? Einige Großregionen Deutschlands setzen die Idee der Regionalwert AG bereits um und retteten so in der Vergangenheit bereits viele Höfe vor dem Aus.
Eine Regionalwert AG ist eine nicht börsennotierte Bürgeraktiengesellschaft im Bereich Lebensmittel- und Landwirtschaft, die sich über private und institutionelle Anleger:innen finanziert. Die Aktien der Bürger:innen bilden die Kapitalbasis für ein Netzwerk aus Erzeugenden, weiter verarbeitenden Betrieben, Vertrieb, Gastronomie und Handel. Das Ziel: regionale Wertschöpfung vom Acker bis auf den Teller. Die Standards: sozial-ökologisch und ökonomisch - zum Wohle von Mensch, Tier und Umwelt.
Und wem bringt das was?
Zum Beispiel Betrieben, die vor der Frage stehen, an wen Land und Hofstelle im Falle des Ruhestands fallen sollen. Preisdumping, Normvorgaben und unzuverlässige Agrarpolitik erschweren es Landwirt:innen zunehmend, eine qualifizierte Nachfolge zu finden. Häufig verkaufen sie einfach an das nächstgelegene große Unternehmen und die kleinbäuerlichen Strukturen in der Region haben wieder einen Betrieb weniger.
Und da kommt die Regionalwert AG ins Spiel. Ein Hauptzweck der Bürgeraktiengesellschaft ist es, bäuerliche Betriebe aus der Region bei der Regelung ihrer Nachfolge zu beraten und finanziell zu unterstützen.
Klingt gut. Und wie funktioniert das genau?
Interessierte Unternehmen sollten sich zunächst mit den sozialen, ökologischen und ökonomischen Standards vertraut machen, nach denen sich Partnerbetriebe verpflichten zu arbeiten.
Das weitere Vorgehen ist von Regionalwert AG zu Regionalwert AG leicht unterschiedlich, im Kern aber vergleichbar. In der Region Hamburg beispielsweise startet der Prozess mit der Abfrage von Daten zum Betrieb über einen sogenannten Investitions-Steckbrief. Der Betrieb muss anschließend gutachterlich bewertet und Vorstand sowie Aufsichtsrat präsentiert werden. Nach Prüfung der Daten wird gemeinsam ein Beteiligungsvertrag entwickelt.
Wer bekommt meinen Hof dann?
Mit Regionalwert AGs nehmen nicht nur Landwirt:innen, die ihren Betrieb abgeben, Kontakt auf, sondern ebenso solche, die einen Betrieb vergrößern, gründen oder auf Bio umstellen wollen. Die Regionalwert AGs bringen diese Menschen zusammen, vermitteln zwischen ihnen und helfen dabei, die Übergabe rechtlich sowie finanziell zu regeln.
In Deutschland gibt es 2020 vier Regionalwert AGs im Raum Berlin, Hamburg, Freiburg und im Rheinland. Weitere befinden sich in Gründung. Aufgrund des großen Interesses der Bürger:innen an regional produzierten Lebensmitteln wird derzeit daran gearbeitet, das Modell auch auf andere Länder Europas und darüber hinaus zu übertragen.
Umfangreiche Informationen sowie Kontakt zu den bereits bestehenden Regionalwert AGs finden Sie hier:
Freiburg Hamburg Berlin Rheinland Oberfranken (in Gründung)
Haben Sie bereits Kontakt mit Regionalwert AGs in Ihrer Umgebung oder ist Ihnen das Konzept völlig neu? Was ist Ihre Vision von einer nachhaltigen Ernährungswirtschaft?
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